Die Lage eritreischer Flüchtlinge

Am Beispiel ausgewählter afrikanischer Länder

von Adane Ghebremeskel

(19.10.2017) Die Migration von EritreerInnen in andere afrikanische Ländern, insbesondere in die Nachbarstaaten, ist ein altes und historisches Phänomen. Die erzwungene und moderne Form der Migration begann aber erst in den 1960ern und 70ern, als die äthiopische Regierung unter Kaiser Haile Selassie damit begann, als Maßnahme gegen die Aufstände im Tiefland des Landes eine Politik der verbrannten Erde zu verfolgen. Mit dem Aufstieg der Derg verschärfte sich der Krieg und so auch die Unterdrückung der EritreerInnen, was zu einem Anstieg der Migration in die benachbarten Länder führte. Der Exodus verschärfte sich, als die Befreiungsbewegungen einen ernsten militärischen Rückschlag erlitten und dazu gezwungen waren, sich aus dem größten Teil der befreiten Gebiete zurückzuziehen. Das war das Ergebnis der Stärkung der Kräfte der Derg durch die Sowjetunion von 1977 bis 1982. Der nachfolgende „Bürgerkrieg“ um die politische und militärische Dominanz zwischen den beiden wichtigsten Befreiungsbewegungen, der Eritreischen Befreiungsfront (ELF) und der Eritreischen Volksbefreiungsfront (EPLF) verstärkte noch die bereits starke Flut eritreischer Flüchtlinge in die Nachbarstaaten. Zugleich begannen auch viele EritreerInnen nach Äthiopien zu ziehen, vor allem nach Addis Abeba, um bessere wirtschaftliche Möglichkeiten zu finden. Aber die Zahl war wesentlich geringer als die der in den Sudan Flüchtenden. Mit der Zeit gingen viele aus dem Sudan entweder durch eine geregelte Übersiedlung oder eine ungeregelte zweite Migration nach Europa, in den Mittleren Osten, nach Nordamerika oder nach Australien.

Es gibt verschiedene Untersuchungen durch WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen, wie z.B. Dr. Gaim Kibreab, über die erste und zweite Welle der Migration und die Situation der Flüchtlinge im Sudan. Es gibt auch noch Untersuchungen, die sich mit der dritten Welle der Migration befassen. Die existierenden Untersuchungen sind mit speziellen politischen Interessen und programmatischen Zielen verbunden. Dennoch werden sie zu wichtigen Informationsquellen für Regierungs- und internationale Organisationen, die zu Flüchtlingen arbeiten, wie dem UNHCR oder der Internationalen Organisation für Migration (IOM).

Auf Grundlage dieser Quellen, ergänzt durch einen Überblick gebende Fragebögen und teilnehmende Beobachtung, ist mein Beitrag ein Versuch, ein realistisches Bild der Situation und der Herausforderungen zu zeichnen, denen sich eritreische Flüchtlinge in einigen ausgewählten afrikanischen Ländern gegenübersehen. Es erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern gibt eher Hinweise für diesen Bereich.

Verschiedene Quellen weisen dazu unterschiedliche Zahlen aus. Dies liegt nicht nur an den Lücken der Erfassung, sondern auch an der hohen Mobilität der Gruppe, die zu einer hohen Fluktuation führt. Die folgende Tabelle zeigt die geschätzte Anzahl eritreischer anerkannter Flüchtlinge, Asylsuchender und Personen mit Arbeitserlaubnis.

Land Zahl der Flüchtlinge
Angola 2.500-3.000
Ägypten 8.500-9.000
Äthiopien 160.000-170.000
Kenia 2.000-2.500
Südafrika 4.500-5.000
Sudan 95.000-100.000
Uganda 4.500-6.000

Es besteht kein Zweifel, dass die überwältigende Mehrheit Eritrea verlässt, weil sie direkt oder indirekt von der vorherrschenden politischen Situation betroffen ist. In einigen Ländern ist das rechtliche Umfeld so gestaltet, dass es kein geregeltes, schnelles und sicheres Asylverfahren gibt. Daher fühlen sich viele dazu gezwungen, einen eritreischen Pass zu beantragen, um eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Damit sind sie der Gnade der eritreischen Regierung ausgeliefert. Nicht eingeschlossen darin ist eine kleine Zahl von Geschäftsleuten in Uganda, Südsudan und wahrscheinlich auch Kenia, die Eritrea mit der Erlaubnis der eritreischen Regierung verlassen haben, vor allem Beamte, die erhebliches Investitionskapital zur Verfügung haben.

Daher bezieht sich der Begriff eritreische Flüchtlinge auf die drei oben genannten Kategorien von EritreerInnen und deren in drei Aspekten als prekär zu bezeichnende Situation: rechtlich, sozioökonomisch sowie in Bezug auf Sicherheitsaspekte. Ihre Widerstandsfähigkeit steht in Beziehung zu den Wegen und Strategien, mit denen sie zu entkommen suchen, wie sie sich in einer Situation bewegen, sich anpassen und in ihr überleben können.

Die Mehrheit der EritreerInnen in den afrikanischen Ländern lebt als Flüchtling in den Flüchtlingslagern. Eine große Anzahl derjenigen, die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis haben, ist jedoch weitgehend selbstständig in kleinen Unternehmen tätig. Der Status zwischen diesen beiden Gruppen ist sehr fließend. Obwohl sich mein Beitrag vor allem auf die erste Gruppe bezieht, ist es doch wichtig, auch auf die zweite Gruppe einzugehen. Bei solch einem Thema können die Berichte über persönliche Erfahrungen sehr hilfreich sein.

Nahe der Heimat – doch weit entfernt: Flüchtlinge in Äthiopien

Am frühen Morgen an einem Tag im März 2013 überquerte mein Neffe die Grenze seiner im Süden Eritreas gelegenen Heimatregion nach Äthiopien. Es war keine Herausforderung für ihn, weil er die Gegend gut kannte. Er wurde im Empfangszentrum von Ndaba Guna aufgenommen. Dort wurde er zwei Tage lang von einem Beamten ausführlich befragt, besser gesagt verhört. Die meisten Fragen, so mein Neffe, betrafen nicht die Menschenrechtsverletzungen, die er im Militärdienst und in den wenigen Wochen im Gefängnis in Eritrea erlitten hatte. Der Beamte konzentrierte sich vielmehr auf die Sicherheits- und Militärstruktur der eritreischen Streitkräfte. Mein Neffe konnte ein hohes Maß an Feindseligkeit nicht nur gegenüber der Regierung der PFDJ, sondern allgemein gegen EritreerInnen feststellen. Diese Erfahrung bestimmte seine Sicht, wie es wäre, als Flüchtling in Äthiopien zu leben.

Er wurde bald in eines der Flüchtlingslager überstellt, wo Tausende von EritreerInnen festgehalten werden. In seinem Kopf entwickelten sich zwei Möglichkeiten: in Äthiopien zu leben und zu arbeiten oder in ein Drittland umgesiedelt zu werden. Während er auf die Umsiedlung wartete, wollte er sich mit einem kleinen Unternehmen selbstständig machen. Aber er musste schnell feststellen, dass es rechtlich nicht möglich war, eine wirtschaftlich gewinnbringende Aktivität umzusetzen. Von Leuten, die schon lange vor ihm in das Lager gekommen waren, erfuhr er, dass eine Übersiedlung in ein drittes Land Jahre dauern würde. Nach sieben sinnlosen Monaten im Lager nahm er eine Gelegenheit wahr, die sich aus der äthiopischen „out-of-camp“-Politik ergab. Er konnte nach Addis Abeba gehen, um dort bei seinen Freunden zu leben. Ohne wirtschaftliche Grundlage für die eigene Versorgung war er aber angewiesen auf Überweisungen durch Onkel und Tanten aus dem Ausland.

Frustriert durch die Tatsache, dass er sich nicht selbst versorgen konnte und nicht in der Lage war, seine arme und kranke Mutter, die er mit vier jüngeren Geschwistern in Eritrea zurückgelassen hatte, zu unterstützen, entschied er sich für den riskanten Weg nach Europa. Nach fast zwei Jahren in Äthiopien überschritt er die Grenze zum Sudan. Vom Sudan aus erreichte er einen der Transitplätze in Libyen, indem er Erspartes von den Überweisungen der Verwandten dafür benutzte. Am Transitplatz, einer verschlossenen Lagerhalle, explodierte während des Kochens eine Gasflasche. Mehrere junge Leute starben sofort, viele andere erlitten Verbrennungen, auch mein Neffe, der mit schweren Verbrennungen an seinen Händen dem Feuer entfliehen konnte. Um der Entdeckung zu entgehen, brachten die Menschenhändler die Verwundeten auf ein Boot, um Richtung Italien zu fahren. Er hatte erneut Glück, als sie von der italienischen Marine entdeckt und an die Küste von Lampedusa gebracht wurden.

Diese persönliche Geschichte ist keineswegs einzigartig. Es ist ein universelles Schicksal, dem eritreische Flüchtlinge in Äthiopien begegnen, wo es schätzungsweise 170.000 von ihnen gibt. Die Mehrheit sind Jugendliche, die auf die Flüchtlingslager in der Verwaltungsregion Tigray verwiesen werden. Nach dem Flüchtlingserlass Nr. 409/2004 ist die Behörde für Flüchtlinge und Rückkehrer (ARRA) für die Verwaltung der Flüchtlinge zuständig. Es ist eine Behörde, die dem Nationalen Geheim- und Sicherheitsdiensten (NISS) unterstellt ist.1 ARRA ist so verantwortlich für Schutz, Registrierung, Sicherheit und Verwaltung der Flüchtlingslager wie auch für die Versorgung. Bis jetzt ist noch kein Fall bekannt, in dem ein eritreischer Flüchtling unfreiwillig nach Eritrea zurückgeschickt wurde. Das non-refoulement-Gebot2 wird eingehalten. EritreerInnen werden auch als Personengruppe eingestuft, die dem ersten Anschein nach als Flüchtlinge anerkannt werden.3

Artikel 21 des Flüchtlingserlasses beschreibt die Rechte und Pflichten anerkannter Flüchtlinge. Nach den Bestimmungen haben sie das Recht, in Äthiopien zu bleiben und einen Ausweis und Reisedokumente für eine Reise ins Ausland zu erhalten. Aber durch die von der äthiopischen Regierung auferlegte Lagerpolitik sind starke Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und anderer damit verbundener Rechte in Kraft. Eine vom Norwegischen Flüchtlingsrat in Auftrag gegebene Studie über die Auswirkungen der Lager ergab 2014, dass die Mehrheit der eritreischen Flüchtlinge negative Bewältigungsmechanismen zeigten. Das lag vor allem daran, so die Untersuchung, dass die Lager die Flüchtlinge daran hindert, ihre Lebensumstände weiterzuentwickeln und wirtschaftlich selbstständig zu werden. Die Desillusionierung und Frustration über diese Situation bringt die Mehrheit, insbesondere die Jugendlichen, dazu, sich für eine „zweite Auswanderung“ zu entscheiden. „72% der Jugendlichen im Lager im Alter zwischen 15 und 24 Jahren haben in den letzten 30 Tagen überhaupt nichts gemacht … Alleinstehende männliche Jugendliche werden mit einer zweiten Auswanderung gelockt, Frauen und Familien bleiben eher in den Lagern stecken“.4

Seit August 2010 hat die äthiopische Regierung die „out-of-camp“-Politik eingeführt. Damit wird eritreischen Flüchtlingen gestattet, die Lager zu verlassen und in die Städte zu ziehen, sofern sie nachweisen können, dass sie sich wirtschaftlich selbst versorgen können. Mit der Tatsache, dass Artikel 21/3 des Flüchtlingserlasses Flüchtlingen verbietet, wirtschaftliche Aktivitäten und Ausbildung für ein eigenes Einkommen zu betreiben, setzt die „out-of-camp“-Politik Flüchtlinge einer noch prekäreren sozialen und wirtschaftlichen Situation aus. Die äthiopische Regierung hat Stipendien für etwa 3.000 eritreische Flüchtlinge zur Verfügung gestellt, um Studium und eine Hochschulausbildung zu ermöglichen. Es gibt auch eine Reihe von Maßnahmen sowohl inner- wie auch außerhalb der Lager, die von internationalen und nichtstaatlichen Organisationen durchgeführt werden, um die sozialen und technischen Fähigkeiten der jungen Flüchtlinge zu verbessern. Aber all das ist nicht ausreichend, um die grundlegenden Herausforderungen zu bewältigen, vor denen die eritreischen Flüchtlinge stehen, wenn sie nach Äthiopien kommen: einen angemessenen Lebensunterhalt zu verdienen. Eine von Mallett und anderen erstellte Studie, die vom Oversea Development Institute in Auftrag gegeben wurde, stellte fest, dass „die potenziellen Auswirkungen (dieser Maßnahmen) dadurch untergraben werden, dass in Äthiopien lebenden Flüchtlingen das Recht auf Arbeit verweigert wird.“5

Es könnte viele Gründe geben, die zu solch einer Politik geführt haben. Es bleibt aber die Tatsache, dass eine Integration durch den Aufbau eines selbstständigen Lebensunterhalt keine politische Option zur Lösung für die äthiopische Regierung darstellt; Folglich sind die auf dem Tisch liegenden Optionen immer noch die Rückführung und die Übersiedlung in ein drittes Land. An das erste ist nicht zu denken, so lange es keine grundlegenden politischen Änderungen in Eritrea gibt. So bleibt nur das zweite für die eritreischen Flüchtlinge. „Aufgrund der Verzögerungen und der fehlenden Klarheit des Zugangs zu formellen Wegen, verschwinden jedoch der Glaube und die Möglichkeit daran und die Risiken einer irregulären Weiterwanderung werden erträglicher.“6

Südafrika: In einem Land aller guten Dinge

In gewisser Weise ist Südafrika das Gegenteil dessen, was Eritrea derzeit darstellt. Südafrika hat eine der liberalsten Verfassungen der Welt, die in hohem Maße gelebt wird. Die aktuellen Korruptionsskandale könnten ein anderes Bild des Landes zeichnen. Aber wir müssen auch sehen: Nur weil die Institutionen des Landes, BeamtInnen, JournalistInnen wie auch ganz normale BürgerInnen die in der Verfassung dargelegten Rechte effektiv nutzen konnten, konnten die Korruptionsfälle erkannt und bekannt werden.

Die meisten dieser Rechte spiegeln sich auch in der weiteren Gesetzgebung wider, darunter auch das Flüchtlingsgesetz 130/1998. Darin wird in Artikel 6 dargelegt, dass das südafrikanische Flüchtlingsgesetz in Übereinstimmung mit den internationalen Konventionen und Protokollen ausgelegt, angewandt und umgesetzt werden soll. Das Gesetz legt ausführlich den institutionellen Aufbau und die Verfahren fest, die bei Flüchtlingsanträgen zu befolgen sind. In Artikel 22 sieht das Gesetz vor, dass ein Asylsuchender mit einer Aufenthaltsgenehmigung als Asylsuchender auszustatten ist, die ihm bzw. ihr erlaubt, bis zur endgültigen Entscheidung des Antrages im Land zu bleiben. Solch eine Genehmigung unterliegt Änderungen bezüglich der Verlängerung und der Bedingungen. Zuständig dafür ist der Beamte im Flücht­lings­amt. In gleicher Weise entscheidet der Beamte, ob einem Asylbewerber Asyl gewährt wird oder nicht (Art. 24 Abs. 3). Der Ständige Flüchtlingsausschuss ist befugt, Entscheidungen zu überprüfen. Wenn ein Asylsuchender mit dem Ergebnis der Überprüfung nicht einverstanden ist, hat er bzw. sie das Recht, beim Amt für Flüchtlingsbeschwerden Berufung einzulegen (Art. 24a).

Das Gesetz befasst sich ferner mit den Rechten und Pflichten von Flüchtlingen. Es unterscheidet dabei zwischen Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen. Asylsuchende haben Anspruch auf eine schriftliche Entscheidung über ihren Asylantrag, das Recht im Land zu bleiben und auf Schutz vor unberechtigter Inhaftierung (Artikel 27B). Asylsuchende müssen persönlich die Erneuerung oder Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung beantragen (Artikel 34A). Anerkannte Flüchtlinge haben nach Art. 27a Anspruch auf vollständigen Rechtsschutz nach Kapitel 2 der Verfassung. Ausgenommen werden die Rechte, die den Staatsbürgern vorbehalten sind. Weiter heißt es, dass ein Flüchtling nach fünfjährigem ununterbrochenem Aufenthalt Anspruch auf einen dauerhaften Aufenthalt hat, versehen mit einem Reisedokument und der Möglichkeit der Erwerbstätigkeit.

Anders als die äthiopische Regierung hat die südafrikanische Regierung eritreische Flüchtlinge bis jetzt nicht als eine Gruppe anerkannt, die schon dem ersten Anschein nach (prima facie) einen Flüchtlingsstatus erhalten. Deshalb ist der rechtliche Unterschied, insbesondere bezüglich des Zugangs zum Arbeitsmarkt, zwischen Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen von hoher Bedeutung. In der alltäglichen Realität scheint das aber kaum einen Unterschied zu machen, insbesondere bei dem Zugang zu öffentlichen Diensten, der Arbeitssuche oder Ausbildungsmöglichkeiten. Dies könnte auf die relativ fortschrittliche Verfassung zurückzuführen sein, die keine Diskriminierung zwischen verschiedenen Kategorien von Menschen beim Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, wie Grundschul- und Sekundarschulbildung, Gesundheitsfürsorge usw. zulässt. Im Hinblick auf Erwerbstätigkeiten wird Asylsuchenden wie auch Flüchtlingen „stillschweigend“ das Recht zugestanden, im informellen und formellen wirtschaftlichen Bereich tätig zu sein. EritreerInnen sind in Südafrika in vier Bereichen wirtschaftlich tätig.

Informeller Sektor: Die Mehrheit der eritreischen Flüchtlinge und Asylsuchenden sind in kleinen Unternehmen beschäftigt, zumeist im Einzelhandel, die EritreerInnen oder AusländerInnen gehören. Obwohl ihnen dadurch ein gewisses Maß an wirtschaftlichen Chancen geboten wird, bedeutet der informelle Charakter ihrer Beschäftigung, dass sie keinen rechtlichen Schutz haben und Ausbeutung in Form von Unterbezahlung und langen Arbeitszeiten ausgesetzt sind.

Informelle Einzelhändler: Eritreische Flüchtlinge und Asylsuchende, die über einen Kredit oder die Unterstützung von im Ausland lebenden EritreerInnen ein Startkapital erwerben können, gründen oft kleine Einzelhandelsunternehmen, vor allem in dicht besiedelten Gebieten, informellen Siedlungen und ländlichen Gebieten. Einige gründen kleine Lebensmittelläden, andere arbeiten als Vertreter, die von Tür zu Tür ziehen, um vor allem haltbare Waren zu verkaufen.

Formelle kleine Geschäfte: Es gibt EriteerInnen, die formelle kleine Geschäfte in den städtischen Gebieten des Landes gründen konnten. Zumeist ist das ein Ergebnis klugen Geschäftssinnes, jahrzehntelanger harter Arbeit und großer Sparsamkeit.

Berufliche Beschäftigung: Die meisten EritreerInnen, die im professionellen formellen Sektor tätig sind, sind StudentInnen, die in den 2000er Jahren über ein Stipendium der Regierung ins Land kamen. Obwohl die Mehrheit von ihnen Südafrika verlassen hat, gibt es doch eine beträchtliche Zahl, die in Hochschulen und Universitäten, Beratungsfirmen, Krankenhäusern usw. tätig sind. Sie sind in ihren jeweiligen Fachgebieten hoch talentiert und beruflich qualifiziert.

Trotz der Unterschiede sind fast alle eritreischen Flüchtlinge und Asylsuchende betroffen von der allgemeinen Unsicherheit in Bezug auf ihren Status. Das Asylverfahren in Südafrika dauert lange und ist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Ineffizienz und Korruption. Angesichts des geringen Wissens einer Mehrheit der EritreerInnen über das Verfahren fallen die meisten von ihnen skrupellosen Beamten und Vermittlern zum Opfer. Selbst wenn ein Asylbegehren gewährt wurde, dauert es lange, um eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und ein Reisedokument zu erhalten. Das führt zu einer tief verwurzelten Unsicherheit, die es für die Mehrheit der EritreerInnen schwierig macht, einen dauerhaften Lebensunterhalt zu sichern. In der Tat ruft es das anhaltende Gefühl unter vielen von ihnen hervor, dass sie nur vorübergehend in Südafrika sind. Die überwiegende Mehrheit von ihnen hofft daher auf eine Übersiedlung in ein drittes Land und lässt sich dafür registrieren.

Unsicherer Status

Solch eine Unsicherheit im Status ist für viele EritreerInnen in Südafrika auch einer der Gründe, warum sie sich nicht offen mit anderen zusammenschließen, die Gerechtigkeit suchen: Ein Phänomen, das viele EritreerInnen auch in anderen afrikanischen Ländern zeigen. Folglich ist es nicht selten, dass EritreerInnen dazu gezwungen werden, die vom Regime geforderte 2%-Steuer zu zahlen. Tatsächlich erwerben einige sogar einen eritreischen Pass, um nach der Ablehnung ihres Asylantrages eine Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Das mag seltener der Fall in Südafrika sein, wo das eritreische Regime und seine Helfershelfer davon abgehalten werden, Druck gegenüber EritreerInnen auszuüben. Aber in Ländern wie Uganda, Südsudan, Kenia und Angola ist das durchaus üblich.

Um die oben genannte Situation besser darzustellen möchte ich auf die Geschichte eines engen Freundes verweisen:

Tecle lebte seit Mitte der 1980er Jahr in Zentraläthiopien. Er traf auf seine spätere Frau, eine EritreerIn der zweiten Generation. In einer frühen Phase des eritreisch-äthiopischen Grenzkonflikt spürten Tecle und seine Frau die Gefahr und flohen mit ihrer 9 Monate alten Tochter aus Äthiopien. Nachdem sie eine Reihe von Ländern durchquert hatten, erreichten sie Anfang Januar 1999 Johannesburg in Südafrika und beantragten Asyl. Um wirtschaftlich überleben zu können wurde seine Frau Straßenhändlerin und verkaufte Gürtel, Mützen und anderes, während Tecle in den Townships und informellen Siedlungen um Johannesburg herum Decken und andere haltbare Waren verkaufte. Das auf diese Weise entstandene Familienunternehmen entwickelte sich zu zwei großen Einzelhandelsgeschäften im Zentrum von Johannesburg und einem weiteren in einer anderen Provinzhauptstadt. Sie schafften es, ihre drei Kinder zu einer der besten Privatschulen in Johannesburg zu schicken. Sie schafften es auch, Immobilien in der Nähe von Sandton City zu kaufen, der wohlhabendsten Vorstadt.

Dennoch lebten sie die ganze Zeit mit einer Aufenthaltsgenehmigung als Asylsuchende in Südafrika. So konnten sie kein Bankkonto eröffnen, weder für ihre persönlichen Zwecke, noch für das Geschäft. Auch als sie als Flüchtlinge anerkannt worden waren, wurden ihre Geschäfte unter einem anderen Namen registriert, einem südafrikanischen Bürger, dem sie viel Geld bezahlten, um über ihn eine Konzession zu erhalten. Nach fast 18 Jahren wurde ihnen im Jahr 2016 ein ständiger Aufenthalt gewährt und Reisedokumente ausgestellt. Erst jetzt konnten sie die Immobilie kaufen, in der sie derzeit wohnen. Obwohl Tecle ein wichtiger Unterstützer der Eritreischen Bewegung für Demokratie und Menschenrechte war (EMDHR), hatten sie die ganze Zeit vorgegeben, das Regime zu unterstützen. Sie gingen zu allen Treffen, die von der eritreischen Botschaft einberufen wurden und zahlten gewissenhaft die 2%-Steuer.

Nach Jahrzehnten scheint nun die Ungewissheit für Tecle ein Ende zu haben. Aber es gibt viele EritreerInnen, die weiterhin im Ungewissen leben, was auch an die zweite Generation weitergegeben wird. Es gibt eine tief verwurzelte Staatenlosigkeit unter vielen aus der zweiten Generation, die in afrikanischen Ländern aufwachsen. Die Geschichte von Daniel und Mesel, zwei Eritreer der zweiten Generation in Kenia, wurde im Magazin Journafruca erzählt.

Die Familien von Daniel Solomon und Mesel Petros flohen in den 1970ern aus Äthiopien und gingen nach Kenia. Die Familien überlebten wirtschaftlich durch harte Arbeit. Sie fuhren Lastwagen und verkauften Gemüse. Daniel und Mesel wurden in Kenia geboren und wuchsen dort auf. Sie kannten kein anderes Land, nur Kenia. Sie gingen in die Schule und konnten an der kenianischen Universität studieren. Sie haben kenianische Geburtsurkunden, die sie berechtigt hätten, die kenianische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Aber ihre Versuche, die kenianische Staatsbürgerschaft zu erwerben, wurden durch bürokratische Hürden verhindert. Sie haben immer noch einen Flüchtlingsstatus. Mesel sagt dazu: „Dokumente sind der Schlüssel zu allem. Wenn du sie nicht hast, kannst du dich nicht einfach bewegen. Wenn du verhaftet wirst, musst du die Polizisten bestechen, um freigelassen zu werden, selbst wenn du deine Papiere als Ausländer hast.“ Daniel ergänzt: „Ich bekam einen Job und ging in den Nordosten Kenias. Aber auf dem Weg gibt es jede Menge Polizeikontrollen. Wenn du ihnen die Papiere als Ausländer zeigst, sagten sie dir, dass du dorthin zurückkehren sollst, wo du hergekommen bis. Einmal wurde ich angehalten, als ich mit dem Bus fuhr. Ich wurde zwei Stunden lang festgehalten. Der Bus war weg. Ich versuchte mit der Polizei zu reden. Am Ende musste ich ihnen etwas Geld geben.“

 

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Aus der obigen Beschreibung ergibt sich, dass alle Länder umfassende Flüchtlingsgesetze erlassen haben, die zum großen Teil den internationalen Standards entsprechen. Die Gesetze legen den institutionellen Rahmen fest, der aufzeigen könnte, wie das Thema Flüchtlinge durch die Politik gesehen wird. In Äthiopien z.B. wird allein durch die Zuordnung des ARRA unter die nationalen Geheim- und Sicherheitsdienste unterstellt, dass die Flüchtlingsfrage mehr aus sicherheitspolitischer Sicht als aus irgendeiner anderen Sicht wahrgenommen wird. Die beschlossene Lagerpolitik ist daher aus diesem Blickwinkel heraus zu erklären. Das gleiche kann von Kenia und der dortigen Flüchtlingspolitik gesagt werden.

Welche Gründe auch immer zu solchen Perspektiven und Politik geführt haben, die Auswirkungen auf eritreische Flüchtlinge sind hinsichtlich ihrer Würde und Eigenständigkeit sehr weitreichend. Auf der Suche nach Freiheit und einem menschenwürdigen Leben konnten viele junge EritreerInnen die Lager und eine Zukunft ohne Perspektive nicht hinnehmen. Dies wird verstärkt durch die Hürden einer Umsiedlung. Unter solchen Umständen entscheiden sich Zehntausende junger EritreerInnen für eine „zweite Auswanderung“, mit allen Gefahren, die damit verbunden sind.

Die Situation in Südafrika scheint besser zu sein, da sich die Politik von der in Äthiopien unterscheidet. AsylbewerberInnen und Flüchtlinge haben die Möglichkeit, Einkommen zu erzielen. Einige waren auch wirklich sehr erfolgreich, sowohl in ihren Berufen als auch bei Geschäftsunternehmen. Das gleiche könnte für eine beträchtliche Zahl von EritreerInnen in Angola, Uganda und Südsudan gesagt werden. Aber die Ineffizienz der Verwaltung und die damit verbundene Korruption führt dazu, dass EritreerInnen in Südafrika einen unsicheren Status haben; Daher lassen sich viele für eine Umsiedlung in ein drittes Land registrieren oder versuchen auf illegalen Routen in den Norden zu kommen. Ihr unsicherer Status macht sie zudem anfällig für Bedrohungen und Manipulationen des Regimes.

Fußnoten

1 nach Erlass 6/1995

2 a.a.O., Art. 9

3 a.a.O., Art. 19

4 Norwegian Refugee Council (2014), „Living Out of the Camp: Alternative to Camp-based Assistance for Eritrean Refugees in Ethiopia“, Seite 6. https://samuelhall.org/wp-content/uploads/2014/05/Living-Out-of-Camp-Alternative-to-Camp-based-Assistance-in-Ethiopia.pdf

5 Mallett, Richard und andere (2017), „Journey on Hold: How Policy Influences the Migration Decisions of Eritreans in Ehiopia“. Oversea Development Institute, Working Paper 506, Seite 7

6 ebd.

Dr. Adane Ghebremeskel: Precarious State and Resilience of Eritrean Refugees in Selected African Countries. Redebeitrag auf der Konferenz „Eritrea and the Ongoing Refugee Crisis“, 19. Oktober 2017 in Brüssel, Übersetzung: rf. Dr. Adane Ghebremeskel ist Politikwisschenschaftler, derzeit tätig als Programmmanager für Gute Regierungsführung in Gaborone, Botswana. Er ist zudem Menschenrechtsaktivist und Vorstandsmitglied der Eritrean Movement for Democracy and Human Rights (EMDHR). Der Beitrag wurde veröffentlicht in der Broschüre „Eritrea: Ein Land im Griff einer Diktatur – Desertion, Flucht & Asyl“, 3. Mai 2018. Herausgegeben von Förderverein PRO ASYL e.V. und Connection e.V.

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